67’er Strat und Tele

67’ – was sonst  ?


Im November 66’ zu meinem 12. Geburtstag wurde ich mit “Good Vibrations“, dieser
unverschämt genialen kleinen Pop-Oper der Beach Boys in eine neue Welt intensiver,
bis irritierender Träume bewegt. - Eine Art Initiationsritus, der mich auf ein
nächstes überwältigendes Ereignis im Schwarz/Weiss Fernseher meiner Eltern vorbereiten sollte : das Monterey Pop Festival 67’ – Marginaler Höhepunkt meiner Pubertät ! 
Die Live-Intensität der Animals mit Eric Burdon und Johnny Weider an Gitarre und Violine war eigentlich schon unfassbar gut und musikantisch, doch dann sah ich die Ausschnitte aus dem Experience Auftritt, der im Abfackeln einer Stratocaster seinen Climax fand. Dafür gab es keine Worte – ein “Point of no return“ !
 
67’ war für mich der unbedingt initiale Glockenschlag im 60’er Jahre Universum.

Was war denn 67’ sonst noch so los ? 

Che Guevara wird erschossen, Militärputsch in Griechenland, Vietnam, Sgt. Pepper, das
Monterey Festival findet ohne die Beach Boys statt, obwohl Brian Wilson im Festival-Komitee sitzt, der Schah von Persien besucht Berlin, Benno Ohnesorg wird erschossen,
Are You Experienced ?, Axis Bold As Love, Leo Fender verkauft seine Firma an CBS,
Martin Luther King hatte einen Traum.

Ich hatte auch einen Traum. Allein – der Fender Katalog von 68’, der mir schlaflose Nächte bereiten sollte, lag noch nicht in meinen Händen. Doch an den bis heute unvergesslichen Instrumenten wurde 67’ bereits kräftig gewerkelt, und wenn es nur darum ging das neue schwarze Fender Logo auf die Kopfplatten des noch vorhandenen Restbestands an Klampfen der sogenannten “Transition“- Phase anzubringen. Dieser Katalog präsentierte die Hammer-Klampfen in lasziven Posen in freier Natur, an einem Ufer-Idyll auf Steinen am und im Fluß, am See, auf dem Sitz eines Convertible – eigentlich genau im Stil des Playboys zur damaligen Zeit, der mir unfreiwilliger Weise von meinem Vater zur Verfügung gestellt wurde. Er hatte irgendwoher 2 komplette US Playboy Jahrgänge bekommen und, und ich fand sie zufällig auf dem Speicher.

Ich träumte von dieser einen Prinzessin im Schilf, und von einer orig. Fender Strat, konnte mir aber nur eine orig. Fender Mandoline leisten. – darauf  habe ich dann verzichtet.

Diverse 60’er Teles habe ich dann erstmals in den Mitt-70’ern gespielt. Traurig aber wahr ist, daß es 30 Jahre dauerte, bis ich die Gelegenheit fand, eine orig. 67’er Strat zu erwerben. Zeitgleich kaufte ich eine Tele des selben Jahrgangs. Diese beiden Instrumente aus dem für mich magischen Jahr möchte ich hier beschreiben.
Es handelt sich einmal um eine olympic white Strat mit Rosewoodneck, die eine 67’er Seriennummer und Stempel aufweist, jedoch trotzig bis spöttisch das allgemein Mitte 68’ verwendete Logo der CBS Phase zum Besten gibt. Die 60’er Jahre liefern in dieser Hinsicht Einiges an Unregelmäßigkeit, da man oft bereits gefertigte ältere Teile für neuere Produktionsabläufe verwendete.
Die zweite im Bunde ist meine blonde 67’ Telecaster mit Capneck, einem Mapleneck mit
aufgeleimten Maple-Fingerboard.
Niemand wird mir ernsthaft widersprechen, wenn ich sage, daß die Instrumente unter Leo
Fender im Detail besser verarbeitet wurden. Die Aussage, daß CBS die Qualität absichtlich
reduzierte, wird von den meisten Beteiligten bestritten, und mehr auf die gestiegene Nachfrage und die daraus hervorgehenden Produktionsmodalitäten als Ursache für  Unausgewogenheiten verwiesen, als auf bewusste Einsparungen.
Der schmale Neck der 67’ Strat ist in höheren Lagen etwas tückisch an den äußeren Kanten im Gegensatz zu meiner 64’er. Die Saiten haben gerade mal ausreichend Platz. – aber kein
wirkliches Problem. Noch keine 3 Punkt Hals/Korpus Platte und kein von hinten eingelegter Halsspannstab, in den Siebzigern serienmäßig, sind hier prominent. Klanglich ist dieses Leichtgewicht das Beste, was ich persönlich von Strats der 67’ bis 69’er Phase gehört habe. Etliche dieser Modelle erschienen mir kantig und hart. Nicht bei diesem Instrument : Ein warmer perkussiver Grund-Sound wird hier abgeliefert mit ordentlich “Growl“ und “Twang“, wenn man will.
Hier kommt vielleicht mal wieder der Unterschied zwischen Curved - und Slabboard
zum Tragen. Gemeint ist die Auflagebeschaffenheit zwischen der Unterseite des Griffbretts und dem eigentlichen Halses. Von 59’ bis 62’ wurden die Auflageflächen beider Teile plan geschliffen und verleimt, das Slabboard-Verfahren. Das Curvedboard ist sowohl oben, als auch unten abgerundet, und wird so auch auf den Hals angepasst. Eine geringere Menge Rosenholz ist die Folge. In der Regel klingen die Slabboards etwas zahmer,
die Curvedboards insgesamt druckvoller – hiermit will ich nicht sagen, daß das Eine dem Anderen grundsätzlich vorzuziehen wäre. Hendrix oder Vaughn Imitatoren kommen
am Curvedboard aber nicht vorbei.
Mein Teil bildet in der Skala der denkbaren Hendrix Sound Varianten vergleichsweise den “All Along TheWatchtower“ Sound bestens ab. Von dort ist es zu “Deep Purple in Rock“ nicht mehr weit. Ihre Feuertaufe erhielt meine 67’er bei einer Aufnahme Session für und mit Eric Burden. Seine Stimme und der alte Sound der Strat bildeten sofort eine Einheit.
Die Gitarre ist ein Player mit ihrem zerschossenem Korpus und den von mir vorgenommenen Modifikationen, die aus einer neuen Bundierung mit Dunlop 05 Bünden, dem schmalen und gleichzeitig sehr hohen Draht, einem neuen Tremolo, Kinman Vintage Pick Ups und 250k Poti mit 470k Kondensator besteht.
“Warum,Warum bloß ?“, schreien jetzt vielleicht Einige.
Nun, in meiner Zeit bei SAT1- Harald Schmidt konnte ich Einstreuungen nicht besonders gebrauchen, und da den Fernsehleuten im Allgemeinen solche Probleme unverständlich bis egal sind, war ich mehr als dankbar über Chris Kinman’s Pickup-Forschungen auf dem Gebiet “Humbucker für Fender-Gitarren“. Kinman’s “Traditional“ Set ist meine erste Wahl in seiner Offenheit und Dynamik.  Es gibt auch einen “Woodstock“ Satz, der mir nicht so gut gefiel- für mein Instrument zu undifferenziert.
Chris empfiehlt auch 500k Potis mit Kondensator, um eventuell mehr Top zu ermöglichen,
ich emfand die dämpfende Wirkung des 250k angenehmer. Ich rate eigentlich, möglichst
flexibel in der Wahl der Komponenten zu sein, es gibt wohl Eckwerte, aber letzendlich auch immer wieder Überraschungen. Dieses Problem haben historisch orientierte Puristen  natürlich nicht – möglichst “Mint“ ist ihr maßstäblich gestrenges Begehren innerhalb eines scheinbar kleinen, in Wahrheit aber expandierenden Wissens-Universums .
Die hohen Bünde bieten zum Einen mehr Modulations- und Intonationsmöglichkeiten, zum
Anderen helfen sie, ein paar Ungleichmäßigkeiten in den hohen Lagen zu kompensieren.
Inzwischen entwickeln immer mehr Spieler für dieses Material ein Faible, auch weil es die Muskeln entlastet. Dennoch halte ich den hohen Draht nicht für das“Non plus ultra“, auf
diversen Instrumenten würde ich sie niemals wollen – unterschiedliches Spielgefühl ergibt
unterschiedliche Spielweisen.
Ich habe mir dann ein Replacement angeschafft – eine 69’ Reissue Relic. Eine Super Gitarre,
etwas mehr Holz, sowohl am Body, als auch am Hals, gleiche Ausstattung bis auf  die 500k
Potis. Sie klingt größer, lauter, sowohl presenter, als auch drückender im Bass, gemahnt an “Are you experienced?“ und “Texas Flood“ Obwohl ich sie durchschnittlich am meisten spiele, weil sie so gut funktioniert und vielseitig ist, und immer passt, erreicht sie nicht die Magie der 67’er. Dieses gleichzeitig Dunkle, Rauchige und Helle im Ton, verdeckt und offen zugleich, scheint purer Alchemie entstiegen.
Mit meiner blonden Tele verhält es sich eigentlich gleich. Auch hier gibt es Unausgewogenheiten in den hohen Lagen, zusätzlich ist die Intonation grenzwertig auf
Grund der Doppelreiter am Steg, was sich durch die hohe Bundierung aber gut kompensieren lässt. Der Maple Capneck ist besonders hervorzuheben, da er der Tele einen fetten Klang spendiert mit feinen Höhen spendiert. Ich mag diese Hälse sehr, auch ein karakteristisches Moment bei Jimi Hendrix’ “Woodstock“ oder “Band Of Gipsys“ Performances.
Der von mir eingebaute Kinman “Sixties Set“ macht einen guten Job von Chicken Pickin’, Blues bis Rock.
Es gibt so ein paar geile 60/70’s Soundtracks von Quincy Jones und auch Lalo Schifrin, z.B.
“In the heat of the night“, wo man so L5 Sounds und Tele Sounds zusammenführt, so abgerissene Country und Rockn’ Roll Skizzen, sehr brilliant und “twangig“, mit Fender Amps : das ist der Sound dieser Tele, aber auch : Led Zeppelin’s “Dazzled and Confused“, oder
Reggie Lucas’ kantiger Jazz auf Keith Jarret “Expectations“ Album aus den Siebzigern.
Die Johny Cash Recordings mir Carl Perkins sollten nicht unerwähnt bleiben.
Wie das klingt ? Spröde und warm zugleich - clean gespielt, brachial und voluminös - im angezerrten Gitarrenleben.
Ich liebe diesen drahtigen Ton, der wie von einer dunklen Wüstendüne getragen wird,
immer hintergründig bis unergründlich.
Der “Rolling Stone“ beschrieb ein Album meiner Köln / Santa Fe Connection “Phonoroid“
mal mit “ein countryfiziertes Zen Kloster“ – und ich muss zugeben, diese Tele von 67’ klingt auch irgendwie danach ! Chicken pickende Hillbillies, überrascht und geläutert im Sturm der Langsamkeit – Dropped down to C !

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